Annie Ernaux: Der Platz
Er stand jeden Morgen um fünf Uhr auf, Kühe melken, Ställe ausmisten, Pferde versorgen und abends noch einmal Kühe melken. Im Gegenzug wurde ihm die Wäsche gewaschen, er bekam Kost und Logis und ein wenig Geld. Er schlief über dem Stall auf einem Strohsack ohne Bettwäsche. Die Tiere träumen, stampfen die ganze Nacht. Er dachte an das Haus seiner Eltern, ein ihm jetzt verbotener Ort. Eine seiner Schwestern, ein Dienstmädchen, tauchte manchmal am Tor auf, mit ihrem Bündel in der Hand, stumm. Der Großvater fluchte, sie konnte nicht sagen, warum sie schon wieder weggelaufen war. Am Abend brachte er sie zu ihrer Herrschaft zurück und schimpfte sie aus.
Mein Vater war ein fröhlicher Junge, der gern spielte, Geschichten erzählte, sich Streiche ausdachte. Auf dem Hof gab es niemanden in seinem Alter. Sonntags diente er mit seinem Bruder, wie er Viehknecht, in der Messe. Er ging zum »geselligen Beisammensein«, tanzte, traf sich mit seinen Schulkameraden. Wir waren trotz allem glücklich. Mussten wir ja.
Annie Ernaux, geboren 1940, bezeichnet sich als »Ethnologin ihrer selbst«.
Seit Kurzem weiß ich, dass der Roman unmöglich ist. Um ein Leben wiederzugeben, das der Notwendigkeit unterworfen war, darf ich nicht zu den Mitteln der Kunst greifen, darf ich nicht »spannend« oder »berührend« schreiben wollen.