Arno Camenisch: Die Welt

Die Reisen sollten über vier Kontinente gehen, was ich da draußen lernte, war fürs Leben, das würde ich in kenen Büchern finden, das gab mir zu verstehen, was dieses Leben sein könnte, was die Leute beschäftigte und wie sie lebten, was ihre Lebensgrundlagen waren und ihre Werte und was ihre Sprache war und ihre Gestik, was ihre Art war, die Welt zu sehen, und was sie liebten, ja, was sie liebten, das hat mich stets an den Leuten interessiert, ihre Leidenschaft, das ist das, was die Menschen schön macht, das, was in ihren Herzen brennt und glüht und wofür sie alles aufgeben würden, das war stets das, was mich an den Menschen interessierte, wenn ich den Fischer am Strand in der Nähe von Perth traf, wie sorgsam er sein Fischernetz bereitmachte, als sei er Santiago, wie er danach über das Meer blickte mit der Hand an der Stirn und die Bewegungen der Wolken sah und den Wellengang beobachtete, es waren stets diese kleinen Momente, die mich hellhörig machten, die Verbundenheit der Menschen mit ihrer Leidenschaft. Und mit jeder Begegnung mehr fügte sich ein kleines Bild hinzu, mit jedem Moment mehr kam ein Mosaiksteinchen dazu, und ich dachte an den Satz von John Lennon, der sagte, the more I see, the less I know for sure.

Arno Camenisch, 1978 in Tavanasa im Kanton Graubünden geboren und aufgewachsen, studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. 2009 erschien im Engeler-Verlag sein erster Roman, ›Sez Ner‹, dem elf weitere Bücher folgten. Seine Texte wurden in über 20 Sprachen übersetzt, und seine Lesungen führten ihn quer durch die Welt, von Hongkong über Paris und Buenos Aires bis nach New York. Im März 2015 entstand der Dokumentarfilm ›Arno Camenisch – Schreiben auf der Kante‹.

Arno Camenisch: Die Welt. Diogenes, Zürich 2022. 22 €