Carolin Callies: schatullen & bredouillen


das verschwimmen der linien zwischen drinnen & draußen

I.
ich häng den wald in mein zimmer, ein prachtvolles dickicht & häng mir ein tuch in den raum. der rapport geht weiter, er geht ewig fort. so lang wär mein haus, zigtausende meter. der faun & die flora beziehen mein liegen, steh betreten darin & begrünt.

die bäume wachsen dem vorhang heraus: gespinste aus flecht & ich häng meine wände, ich häng meine wäsche, die rohstoffe auch: der flachs & die wolle & das stück zum verdunkln habn alle hände voll zu tun. all das kleine dunkel.

II.
die falsche tür für den falschen schlüssel & die farbküche, in der ich wohne. ich hab die farbe nicht gekocht & male der köchin nen flachs auf die brust, ein tuch ist´s aus kohlen. der fahrbare barwagen steht in den nischen & mein nierentisch steht auch dabei.

III.
die stoffe im keller & die leichen darin. was bin ich so knöchern, verwachsen im baum & der keller verwächst & siehst du mich nicht: bin im tischtuch bestickt & will das hier flicken, doch die bahnen vom stoff liegn gehäutet, geschichtet & ich hänge die haut in mein fenster.

Carolin Callies, geboren 1980 in Mannheim, lebt in Ladenburg bei Heidelberg. Veröffentlichungen in Zeitschriften (Bella triste, Allmende, POET, Neue Rundschau) und Anthologien (Jahrbuch der Lyrik, Trakl und wir: Fünfzig Blicke in einen Opal, Lyrik-Taschenkalender). Mit fünf sinne & nur ein besteckkasten legte Carolin Callies ihren ersten Gedichtband vor, für den sie 2015 mit dem Thaddäus-Troll-Preis und dem Jahresstipendium für Literatur des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde. 2020 nominiert für den Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg.

Carolin Callies: schatullen & bredouillen. Schöffling & Co. 20€