Ivica Prtenjača: Der Berg
Menschen, die ihre eigene Welt aus derart solidem Material bauen, wie Katarina Mazur es zu tun glaubte, ertragen es schwer, wenn diese Welt einen Sprung kriegt. Mir, der ich auf dem Gipfel eines Bergs stehe und versuche, das bleiche Antlitz des nächtlichen Monds in ein Spinnennetz zu fangen, das Auge an das hinterste Ende der weiten See rollen zu lassen, oder einem alten Esel die Nacht zu retten, steht solch ein Sprung ziemlich gut. Ich denke an nichts Bleibendes, an nichts Festes und Widerständiges gegen eine so häufige Erscheinung wie den Tod. Gleichzeitig graut es mich vor so vielen Dingen, auch vor jener armseligen Formel des carpe diem. Ich lebe irgendwo im Dazwischen, im Glauben, dass es einen Sinn des Lebens gibt, obwohl ich ihn nicht gefunden habe. So wie jene Menschen, die an die Existenz Gottes glauben, obwohl sie dafür keinen Beweis erbringen können außer dem eigenen Glauben. Ich zum Beispiel glaube, dass Gott existiert, aber mit speziellen Arbeitszeiten. So erkläre ich mir seine Versäumnisse und seine Gleichgültigkeit in bestimmten Augenblicken der Geschichte. Er war gerade anderwärts beschäftigt.
Ivica Prtenjača wurde 1969 in Rijeka, Kroatien, geboren, wo er an der Fakultät für Bildungswissenschaften Kroatisch studierte. Er arbeitete als Wasser- und Gasableser, Eisverkäufer, Bauarbeiter, Lagerist und Galerist, Feuerwehr- und Kaufmann, Buchhändler, Werbefachmann. Seine Texte wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, u. a. ins Französische, Englische und Italienische und mehrfach ausgezeichnet.
Ivica Prtenjača: Der Berg. Aus dem Kroatischen von Klaus Detlef Olof. Folio Verlag. 22 €