Marie-Hélène Lafon: Joseph
Er mochte die Abende, man saß vor dem Fernseher, man schaute nicht unbedingt hin, man hörte ihn, man saß zu dritt in seinem Geplapper, Bilder erschienen und verschwanden, in kräftigen Farben, die um die Körper im Raum flimmerten, man badete in diesen Bildern, sie gingen durch einen hindurch, man schnappte Stücke auf, man spürte, dass die Welt groß war um den Hof und diesen Landstrich herum, in dem man gelebt haben würde. Ein Durcheinander von Wörtern und Formulierungen sammelte sich an, Barack Obama das Defizit Jean-Pierre Raffarin die Restrukturierung Gandrange der griechische Bankrott Austritt aus dem Euro die Olympischen Spiele in London Les Bleus das Konzert von Madonna. Den Bauern hätte es interessiert, vor allem die Politik und der Sport, aber er neigte dazu, einzuschlummern, wegzunicken, wie er sagte; mit dem Ende der Nachrichten stand er von der Bank auf und machte es sich auf einem Stuhl vor dem Herd bequem, selbst wenn er aus war, er stützte die Füße auf die Bank, und seine Zehen wackelten in den braunen Socken. Joseph fragte sich, wie man in einer solchen Haltung beinahe schlafen konnte.
Marie-Hélène Lafon, 1962 geboren, lebt heute in Paris. Die meisten ihrer rund fünfzehn Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt vorliegen, spielen im Cantal des Zentralmassivs, in der abgeschiedenen, von Landwirtschaft geprägten Bergwelt, wo Lafon aufgewachsen ist. Sie gehört zu den interessantesten literarischen Stimmen im gegenwärtigen Frankreich. 2016 erhielt sie den Prix Goncourt de la nouvelle.
Marie-Hélène Lafon: Joseph. Aus dem Französischen von Andrea Spingler. Atlantis Verlag, Zürich 2023. 20 €