Nadine Schneider: Drei Kilometer

Die Nacht schien auf einmal dunkler geworden zu sein, als ich versuchte, im Maisfeld etwas zu erkennen. Misch und ich standen auf. Wir trauten uns nicht zu rufen, wir liefen einfach los. Durch das Rascheln der Maispflanzen hörte ich Mischs Atem. Ich fürchtete, jeden Moment kalte Signaldrähte an den Schienbeinen zu spüren. Vielleicht hatten sie einen ihrer Hunde losgelassen, dessen gieriges Hecheln uns bereits folgte. 
Drei Kilometer waren nicht weit, und wir hatten nicht darauf geachtet, wie lange Hans weg war. Durchs Maisfeld flohen viele, aber kaum einer war so dumm und lief betrunken in die Dunkelheit. Er würde es nicht schaffen, das wusste ich. Ohne es wirklich zu wollen, schaffte man es nicht.

Nadine Schneider, geboren 1990 in Nürnberg als Tochter von Auswanderern aus dem rumänischen Banat, studierte Musikwissenschaft und Germanistik in Regensburg, Cremona und Berlin. Sie veröffentlichte Kurzgeschichten in Anthologien, war mehrfach Stipendiatin der Bayrischen Akademie des Schreibens und wurde für Auszüge aus ihrem Debütroman beim Literaturpreis Prenzlauer Berg ausgezeichnet. Sie lebt in Berlin und arbeitet dort im Theaterbereich.

Nadine Schneider: Drei Kilometer. Jung und Jung Verlag 20€