Kaier-Mühlecker - Enteignung

Reinhard Kaiser-Mühlecker: Enteignung

Würde mich jemand fragen, ich wüsste keine Antwort auf die Frage, weshalb ich Journalist geworden war. Es hatte sich eben so ergeben. Ich könnte jedenfalls nicht behaupten, besonders neugierig zu sein. Obwohl ich den Beruf immer mit Eifer ausgeübt hatte, besonders in den ersten Jahren; und wenn ich daran dachte, verstand ich auch Parker wieder etwas. Aber was wollte er, die Dinge änderten sich eben. Speziell neugierig jedenfalls war ich nicht, war es nie gewesen, und das war es auch nicht, was mich kurz vor Erreichen des Dorfes das Tempo drosseln und genauer hinsehen ließ; es war bloß die überraschende Tatsache, dass ich zum ersten Mal auf dem schon vor vielen Monaten neu angelegten Gehsteig tatsächlich jemanden gehen sah, auf dem Weg, der neben Feldern hin aus dem Dorf hinausführte und der alle paar Meter von einer Straßenlaterne beleuchtet war. Ich warf einen Blick in den Rückspiegel, um mich zu vergewissern, dass niemand hinter mir fuhr, und hielt an.

Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems geboren und wuchs in Eberstalzell, Oberösterreich, auf. Er studierte Landwirtschaft, Geschichte und Internationale Entwicklung in Wien. Sein Debütroman ›Der lange Gang über die Stationen‹ erschien 2008, es folgten die Romane ›Magdalenaberg‹ (2009), ›Wiedersehen in Fiumicino‹ (2011), ›Roter Flieder‹ (2012) und ›Schwarzer Flieder‹ (2014) sowie ›Zeichnungen. Drei Erzählungen‹ (2015). Für sein Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung, dem Kunstpreis Berlin, dem Österreichischen Staatspreis und dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. Zuletzt erschien der Roman ›Fremde Seele, dunkler Wald‹ (2016), der für die Shortlist des Deutschen Buchpreises nominiert wurde.

Reinhard Kaiser-Mühlecker: Enteignung. S. Fischer Verlag. 21€.