Tarjei Vesaas: Die Vögel

Aber in Mattis ging in Wellen ein Lied: Er und die Schnepfe. Er musste in das Wäldchen gehen, dicht unter der Stelle, wo die Streifen sich unsichtbar am Himmel entlangzogen. Das war jetzt sein Weg, der, auf dem Freude zu finden war. Auch diesmal wurde seine Hoffnung nicht enttäuscht: Nach einer kleinen Weile musste er stehen bleiben.
Du bist du, schien etwas in ihm zu sagen, so hörte jedenfalls er es.
Es war gesagt in einer Vogelsprache. Gesagt in Vogelschrift.
Er stand neben einem ausgetrockneten Graben direkt unterhalb des Strichs. Stand verzaubert und schaute. Las eine an ihn gerichtete Botschaft, oder wie man es nun nennen sollte.
Auf dem glatten braunen Boden des Grabens waren die leichten Tritte von Vogelfüßen zu sehen, und in der moorigen Erde viele kleine runde, tiefe Stocherlöcher. Die Schnepfe war hier gewesen. Die tiefen Löcher stammten von ihrem Schnabel, mit dem sie in dem Graben nach etwas Essbarem stocherte oder manchmal nur tupfte und schrieb.
Mattis beugte sich hinab und las, was da stand. Betrachtete die leichten, tanzenden Spuren. So leicht und fein ist der Vogel, dachte er. So leicht geht mein Vogel über die Moore, wenn er des Himmels müde ist.
Du bist du, stand da.

Tarjei Vesaas (1897-1970) verfasste Gedichte, Dramen, Kurzprosa und Romane, die ihm internationalen Ruhm einbrachten. Er schrieb seine Romane auf Nynorsk, der norwegischen Sprache, die auf westnorwegischen Dialekten basiert. Abseits der Großstädte schuf Vesaas kontinuierlich ein dennoch hochmodernes, lyrisch-präzise verknapptes Werk mit rätselhaft-symbolistischen Zügen, für das er mehrmals für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde. Als seine größten Meisterwerke gelten »Das Eis-Schloss«, für das er 1964 den Preis des Nordischen Rats erhielt, und »Die Vögel«. 

Tarjei Vesaas: Die Vögel. Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Guggolz Verlag. 23 €