George Pelecanos: Hard Revolution
Während Pitts Jr einen historischen Blick auf unterschiedliche Herkunft wirft und in der Gegenwart den Fokus auf öffentliche Personen und Rassismus legt, bewegt sich der griechische Amerikaner George Pelecanos seit über 20 Jahren quasi in der Unterschicht, fast schon mit einem dokumentarischen Blick auf die Populärkultur. Der Klang des jungen Amerika. „The Sound of Young America“. Der Slogan der schwarzen Plattenfirma Motown funktionierte nur zu gut. Selbst rassistische Schläger mochten jenen eleganten, gefühlvollen Soul aus Detroit. George Pelecanos‘ großartige Momentaufnahme „Hard Revolution“ spielt ebenso im Jahre 1968 aber in Washington D. C. und beginnt am Vorabend von Martin Luther Kings Ermordung und den unerwarteten schockierenden Krawallen. Familie Strange kommt so einigermaßen über die Runden, Vater Darius arbeitet als respektierter Grillchef in einem griechischen Imbiss, der jüngste Sohn Derek wird einer der ersten schwarzen Polizisten in der us-amerikanischen Hauptstadt. Er mag den Motown-Soul nicht besonders lieber den härteren aus dem Süden. Die Mutter erfährt als Hausangestellte, wie abstrus und selbstgefällig manche Weiße denken. Sorgen macht der älteste Sohn, eine labile Existenz, die es zwischen Kleinkriminalität, revolutionären Ideen, Drogenkonsum und Invalidität aufreibt. Die letzten Weißen im sich wandelnden Viertel erfahren sich als Versager. Unzufriedene Typen kompensieren ihren Frust mit dicken Autos, Aufputsch-Drogen, Sex. Manche mögen auch jene coolen Soul-Hits – ausgerechnet den weichen Anti-Macho Smokey Robinson, trotzdem jagen sie „Nigger“. Ein Bankraub soll aus dem Schlamassel helfen. Schwarze Cliquen verhalten sich ähnlich. Nur mit Überfällen lässt sich ein gewisser Lebensstandard erhalten. Hierzulande will dem großen Pelecanos der Durchbruch nicht so richtig gelingen.Vielleicht weil er vergessene Geschichten schreibt um Kleinbürger, Freaks und Außenseiter. Populärkultur insbesondere Pop-Musik dient als Ausdruck von Schwingungen, Zeitgeist und Lebensgefühl. Magischer geht Realismus kaum. Die fast greifbare Spannung muss sich entladen. Die Tragödien nehmen ihren Lauf. Im Kleinen wie im Großen.
George Pelecanos: Hard Revolution. Deutsch von Gottfried Röckelein. Ars Vivendi 2017. 24€.