Liebe kleine und große Freund:innen der Buchhandlung Schwarz, 

Der Winter nimmt Einzug in Freiburg und die ersten Schneeflocken sind schon gefallen. Und auch Weihnachten steht vor der Tür. Für kalte Wintertage und den Wunschzettel haben wir euch eine Adventstüte zusammengestellt.
Die ersten drei Bücher gehören zu unseren Liebsten in diesem Jahr, weil sie alle drei auf sehr einfühlsame, fantasievolle und lustige Weise etwas erzählen, was wir so vorher noch nicht gelesen haben. In Antennenkind erzählt Andrea Karimé von Köbi, einem hochsensiblen Kind, das viel hört und merkt. Wauter Mannaert entwirft in Yasmina und die Kartoffelkrise eine eigensinnige und mutige Figur und erzählt nebenbei von Veganismus und Gentechnologie. In Hinterhoftage berichtet Anna Maria Praßler von Mayas Leben in einem Berliner Hinterhof während des ersten Lockdowns.

Und dann haben wir euch noch zwei Winterbücher zum Reinkuscheln rausgesucht. Im dritten Band von Frau Wolle geht es für Merle und Moritz ein letztes Mal in die Murkelei, um endlich das Geheimnis um Frau Wolle zu lüften. Robert Schneider und Linda Wolfsgruber erzählen in der Schneeflockensammler in poetischen Bildern und Wörtern eine Parabel, die die kleinen Dinge feiert und gleichzeitig die leistungsorientierte Gesellschaft kritisiert. 

Viel Spaß beim Lesen und Vorlesen wünscht Euch

Eure Buchhandlung Schwarz

 

Andrea Karimé und Birgitta Heiskel: Antennenkind

von Katharina Tillmann

Köbi hört und merkt ziemlich viel. Oft ist ihm alles zu laut, denn Krach tut seinen Ohren weh. Zum Glück hat Köbi seine Schildkröte Pänzi und ein Zimmerzimmer, in das er sich zurückziehen kann, wenn alles um ihn herum zu laut wird. So wie jetzt, wo Tante Ruh mit ihrer Stachelsprache bei seinen Eltern auf dem Sofa sitzt. Doch Tante Ruh soll eine Weile bei ihnen wohnen, weil sie ihr Zuhause im Libanon verloren hat. Also setzt Köbi sich mit seinen Kopfhörern in seinen Sessel und beginnt, eine Geschichte zu schreiben. Von Jakob, der sich auf den Weg ins Land der Zuckerleute macht, um herauszufinden, ob er wirklich aus Zucker ist, wie alle immer sagen.
Mit der Zeit wird es Köbi ganz schön langweilig alleine in seinem Zimmerzimmer und er möchte wieder in die Schule gehen, doch dann ist Pänzi plötzlich verschwunden. Hat Tante Ruh sie etwa gekidnappt?

Einfühlsam und fantasievoll erzählt Andrea Karimé von einem hochsensiblen Kind und seiner Welt, von Kommunikation und Gefühlen. Dabei stellt sie Hochsensibilität nicht als eine Einschränkung dar, sondern zeigt, wie wertvoll und besonders es ist, so viel zu hören und zu spüren. Denn Köbi hört nicht nur die Geräuche draußen, sondern kann auch die Geräusche im Inneren seiner Mitmenschen wahrnehmen. Die Bilder von Birgitta Heiskel konzentrieren sich auf die Figuren, ihre Mimik und Gestik, ihre Berührungen und das Miteinander zuhause. So strahlt die Geschichte eine warme und liebevolle Atmosphäre aus, die mich tief berührt hat. Und nebenbei entwirft Karimé diverse Figuren, sodass sowohl die Fluchterfahrungen von Tante Ruh aus dem Libanon angedeutet als auch arabische Wörter in den Text integriert werden.

Andrea Karimé und Birgitta Heiskel: Antennenkind. Ab 5 Jahren. Picus Verlag. 15€

 

Wauter Mannaert: Yasmina und die Kartoffelkrise

von Katharina Tillmann

Yasmina liebt es zu kochen, am liebsten vegan und mit vielen frischen Wildkräutern. Die pflückt Yasmina auf dem Weg zur Schule. So kocht sie jeden Abend für ihren Papa und sich ausgefallene Rezepte. Denn ihr Papa arbeitet in einer Imbissbude und hat nicht viel Zeit zum Kochen und Einkaufen. Zum Glück bekommt Yasmina immer frisches Gemüse aus den Gärten ihrer Freunde Cyril und Marko, so muss sie auch kein Geld für Lebensmittel ausgeben, denn das ist immer ziemlich knapp. Doch dann wird der Gemüsegarten von Cyril und Marko planiert und ein riesiges Feld mit genmanipulierten Kartoffeln gepflanzt. Mit Produkten, die ausschließlich aus diesen Kartoffeln hergestellt werden, will ein mysteriöses Unternehmen die Macht über den Lebensmittelmarkt erlangen. Und das schlimmste ist: Die neue Kartoffelsorte macht sogar süchtig! Yasmina und ihre Freunde müssen dringend etwas unternehmen, denn die ganze Stadt scheint nicht nur verrückt nach den neuen Produkten zu sein, sondern die Menschen verhalten sich auch immer seltsamer. 

Wauter Mannaert erzählt in liebevoll gezeichneten Szenen eine Geschichte voller Witz und Spannung, mit diversen Figuren und einer tollen Hauptfigur. Mit Yasmina hat Wauter Mannaert eine eigensinnige, kreative und mutige Figur geschaffen, die schon früh Verantwortung übernehmen muss. Dabei nimmt er Themen wie prekäre Arbeitsbedingungen, alleinerziehende Väter, Gentechnologie und Veganismus auf und verbindet sie zu einem spannenden Ökokrimi mit dystopischen Elementen. Besonders Yasminas Begeisterung für Wildkräuter und Gemüse ist dabei so ansteckend und ihr Einsatz so ermutigend, dass man direkt Lust bekommt, loszukochen. Zum Glück gibt es eine kleine Auswahl an Yasminas Rezepten im Anhang.

Wauter Mannaert: Yasmina und die Kartoffelkrise. Aus dem Niederländischen von Katrin Herzberg. Handlettering von Olav Korth. Ab 8 Jahren. Reprodukt Verlag. 20€

 

Anna Maria Praßler: Hinterhoftage

von Katharina Tillmann

Eigentlich hätte Maya lieber einen Axolotl bekommen als ein Kaninchen. Doch als Hannibal plötzlich entwischt, merkt Maya erst so richtig, wie lieb sie ihn eigentlich hat. Die Suche nach Hannibal gestaltet sich allerdings ziemlich schwierig, denn draußen steht das Leben still und alle sollen zu Hause bleiben. Es ist nämlich Corona oder Krönchen, wie ihre kleine Schwester Odette sagt. Unerwartet bekommt Maya Hilfe vom coolen Niko aus dem Hinterhaus. Heimlich durchkämmen die beiden die Hinterhöfe und halten vom Dach Ausschau, während Mayas Mama als Ärztin im Krankenhaus arbeitet und oft erst spät Abends erschöpft nach Hause kommt. Dafür ist Papa da, der hat nämlich seinen Job als Kameramann verloren und hat seit dem super wichtige Telefonate im Wohnzimmer, baut einen Hometrainer auf, kocht Nudeln mit Pesto oder näht Masken. Und dann ist da ja noch Odette, die den Sauerteig namens „Teigi“ verarztet. 

Anna Maria Praßler erzählt in Hinterhoftage mit viel Humor eine warme Geschichte über die Tage, an denen der Hinterhof die Welt bedeutete und spart dabei auch die sozialen Auswirkungen der Pandemie nicht aus. So erzählt sie ebenso vom Nachbarn, der zum Coronaleugner wird, wie von den Herausforderungen einer alleinerziehenden Mutter, ihre drei Kinder zu versorgen, von der Soforthilfe für Freiberufler:innen und vom stressigen Alltag im Krankenhaus. Hinterhoftage ist aber trotzdem kein trauriges Buch, sondern vor allem eine spannende Detektivgeschichte und eine berührende Freundschafs- und Geschwistergeschichte. Und dazu entwirft Anna Maria Praßler ein Familienleben, das ganz ohne traditionelle Rollenbilder auskommt.

Anna Maria Praßler: Hinterhoftage. Ab 9 Jahren. Klett Kinderbuch. 15€

 

Robert Schneider und Linda Wolfsgruber: Der Schneeflockensammler

von Katharina Tillmann

Wilson Bentley lebt mit seinem Bruder Charlie und seinen Eltern auf einem Bauernhof in Amerika. Gemeinsam mit seinem Bruder soll er die Eltern bei der Arbeit unterstützen, Kühe melken, Schweine füttern und auf dem Feld mithelfen. Es ist der größte Wunsch des Vaters, dass Wilson und Charlie einmal tüchtige Farmer werden. Doch Wilson interessiert sich nicht für die Arbeit auf dem Bauernhof, er sammelt viel lieber die kleinen Dinge der Welt: Blätter, Steine oder Schneeflocken. Immer wieder entdeckt er neue „Wunder“ und denkt über Besonderheit und Einzigartigkeit einer jeden Schneeflocke nach. Eines Tages beschließt Wilson, den Menschen aus dem Dorf seine Sammlung zu zeigen. Doch werden sie und vor allem der Vater verstehen, was Wilson ihnen versucht zu sagen?

Robert Schneider erzählt in poetischer Sprache eine Parabel gegen den American Dream und die Leistungsgesellschaft und dafür, den kleinsten Dingen auf der Welt nachzuspüren. Schneider entwirft mit Wilson eine sehr feinfühlige, sensible und doch auch starke Figur, die trotz der abschätzigen Reaktionen aus seinem Umfeld, seiner Begeisterung nachgeht. Das Leben der Familie Bentley und besonders die geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen, die darin vorkommen, sind zwar aus der Zeit gefallen, unterstreichen aber den parabelhaften Charakter der Geschichte. Die Bilder von Linda Wolfsgruber haben mich besonders berührt, da sie die Wahrnehmung von Wilson in verschiedenen Blautönen einfangen. Einzelne gezeichnete Bildelemente sind auf einen blauen Untergrund geklebt und wirken ebenso wie Wilsons Sammlung zart und voller Details. Eine wunderschöne Wintergeschichte zum Vorlesen für jedes Alter.

Robert Schneider und Linda Wolfsgruber: Der Schneeflockensammler. Ab 5 Jahren. Jungbrunnen Verlag. 16€

 

Jutta Richter und Günter Mattei: Frau Wolle und die Welt hinter der Welt

von Katharina Tillmann

Jetzt ist schon fast ein ganzes halbes Jahr vergangen, seitdem Merle und Moritz Sebastian aus den Händen der bösartigen Spitzzahntrolle befreit haben. Seitdem scheint die Tür zur Murkelei verschlossen zu sein und Merle kommt es manchmal vor, als habe sie alles nur geträumt. Wäre da nicht der Weltempfänger, den Merles und Moritz’ Papa den beiden zum Abschied geschenkt hat und den sie jeden Abend zum Einschlafen hören. Eines Abends kommen plötzlich seltsame Töne aus dem Weltempfänger, eine Art Sirren und Brodeln, das Merle und Moritz unheimlich bekannt vorkommt. Sie sind sich ganz sicher: Ihr Papa ist in der Murkelei. Werden Merle und Moritz endlich das Rätsel um Frau Wolle lösen können? 

Die Geschichte von Frau Wolle und der Welt hinter der Welt liest sich wie ein Märchen. Dabei verwendet Jutta Richter immer wieder stereotype Bilder wie die des Bösewichts mit orangen Haaren oder der „hysterischen“ Opernsängerin. Das ist schade, weil ihre Geschichte von geheimnisvollen und verwunschenen Figuren nur so wimmelt und ihre bildreiche Sprache auch ohne diese stereotypen Muster auskommen würde. Die kleinen farbigen Bilder von Günter Mattei unterstreichen den verwunschenen Charakter der Erzählung. Die Triologie von Frau Wolle und Merle und Moritz ist für mich eine wunderbare Winter- und Weihnachtsgeschichte zum Vor- und Selberlesen, die uns Leser:innen in eine magische Welt hinter der Welt entführt. 

Jutta Richter: Frau Wolle und die Welt hinter der Welt. Band 3. Ab 9 Jahren. Hanser Verlag. 14€