Julian Barnes: Die einzige Geschichte

Und noch etwas. Als ich Ihnen meine Immobilienmaklerschilderung des Village gab, war manches daran vielleicht streng genommen nicht ganz korrekt. Zum Beispiel die Signalleuchten am Zebrastreifen. Die habe ich womöglich erfunden, weil man heutzutage selten einen Zebrastreifen ohne ein Paar dieser getreulich blinkenden Lichter sieht. Aber damals, in Surrey, an einer wenig befahrenen Straße … das würde ich eher bezweifeln. Ich könnte wohl recherchieren, wie es wirklich war – in der Zentralbibliothek nach alten Ansichtskarten suchen oder die ganz wenigen Fotos hervorkramen, die ich aus jener Zeit habe, und meine Geschichte entsprechend überarbeiten. Aber ich folge meinen Erinnerungen an die Vergangenheit, ich rekonstruiere sie nicht. Die Szenerie wird also zu wünschen übrig lassen. Vielleicht hätten Sie es gern üppiger. Vielleicht sind Sie es üppiger gewohnt. Aber da kann ich nichts machen. Ich versuche hier nicht, Ihnen eine Geschichte auszumalen; ich versuche, Ihnen die Wahrheit zu erzählen.

Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter »Flauberts Papagei«, »Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln« und »Lebensstufen«. Für seinen Roman »Vom Ende einer Geschichte« wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.

Julian Barnes: Die einzige Geschichte. Kiepenheuer&Witsch. 22€. Aus dem Englischen von Gertraud Krueger