Leonard Pitts Jr.: Grant Park

Auch Leonard Pitts Jr schrieb diesen mit Diskursen und Historie angereicherten Thriller zu Beginn der zweiten Amtszeit Obamas – leider in weiser Voraussicht: Nach der Präsidentschaft Obamas gibt es einen Backlash. Grant Park heißt der Park in Chicago, wo Barack Obama spontan seinen großen Erfolg feierte. 2008 ein historischer Sieg, der gut zehn Jahre später keiner mehr ist – angesichts seines Nachfolgers und den wieder erstarkten Rassismen dies- und jenseits des Atlantiks. Der Sachbuchautor, Kolumnist und Romancier – 2004 für seine Kolumnen im Miami Herald mit dem Purlitzer Preis ausgezeichnet, lässt seinen Helden schon am Vorabend jenes historischen
Obama-Sieges den Bettel hinschmeißen. Malcolm Touissant hat es wie Pitts, sein afro-amerikanischer Erfinder, zu etwas gebracht, für seinen Kolumnen erhielt er Preise, ein Star zu dem die Kollegen aufschauen. Doch mit seinen 60 Jahren ist er frustriert, seine Frau ist an Krebs gestorben, und die Beschimpfungen in den Kommentaren zu seinen Glossen nehmen wieder zu. Schließlich statuiert er ein Exempel und tauscht seine Kolumne kurz vor Druck der Zeitung gegen eine ätzende Frustrede aus. Just an diesem Abend wird er – wie der Zufall es will – von zwei Typen der rechtsradikalen „White Resistance Army“ entführt, die ihn schon länger auf dem Kieker hatten. Malcoms unmittelbarer Vorgesetzter wird gefeuert und natürlich sinnt Bob Carson auf Rache, während sich nach zig Jahren plötzlich wieder seine große Liebe meldet. Diese drei verbindet wiederum ein historisches Ereignis, nämlich die große Demonstration um den Aufstand der Müllarbeiter in Memphis, 1968. In Gefangenschaft der beiden genüsslich und boshaft geschilderten Weißer-Abschaum-Typen erinnert sich Malcolm an seine Jugend in Memphis, wie er den großen Martin Luther King traf – der schließlich dort in seiner Gegenwart erschossen wurde. Malcom bastelte sich damals eine neue Identität, er wollte nicht mehr länger der Sohn eines Müllarbeiters sein, sondern ein revolutionärer Denker. Der weiße Bürgerrechtler Carson begleitete seine schwarze Freundin Janeka Latimore zum Aufmarsch in Memphis und musste zusehen, wie ihre Beziehung an den Verhältnissen scheitert.

Zwar verkörpern Pitts Charaktere Klischees, doch umso reizvoller und unterhaltsamer ist es, wie der Autor schließlich deren schablonenhaftes Denken entlarvt: Oft verhalten sich seine Figuren genau dann falsch, wenn eigene Chuzpe und Mut gefragt ist. In dieser Hinsicht haben alle etwas gut zu machen mit ihren mal mehr mal weniger zerbrochenen und wieder zusammengeflickten Biografien. Die Herrenrasse dagegen – namentlich die „White Resistance Army“ – muss natürlich ihre Überlegenheit demonstrieren. Während draußen im „Grant Park“ schon die ersten Jubelrufe zu hören sind, spitzen sich im Innern einer ehemaligen Spielzeugfabrik die Ereignisse zu.

Leonard Pitts Jr.: Grant Park. Deutsch von Gabriele Werbeck und Andrea Stumpf. Polar Verlag 2018. 22€.